Damit der Laden auch morgen noch läuft...

Der stationäre Mode-Einzelhandel befindet sich im Umbruch: Die klassische Markenloyalität, die über einen langen Zeitraum das Einkaufsverhalten prägte, gibt es nicht mehr. Für den Verbraucher sind Produkte nur so gut, wie ihr emotionales Marken- bzw. Einkaufserlebnis beim letzten Erwerb. Die Verbindung von eCommerce und stationärem Handel steht dabei noch am Anfang.

Der Mobile-Shopping-Boom mit verschiedenen Produkten und Services und der Kombination mit Social-Media-Anwendungen wird weiter zulegen. Will der Handel seinen Store fit für die Zukunft machen, muss er diesem veränderten Konsumentenverhalten Rechnung tragen und ihn attraktiv gestalten. Wie? Darauf weiß Mark Singrin, Head of Visual Merchandising bei Peak Performance, eine Antwort.

Handel im Wandel, Wandel im Handel

Im deutschen Mode-Einzelhandel ruckelt es. Konzepte, die ehemals sehr erfolgreich waren, haben aufgrund des steigenden Wettbewerbdrucks und dem zögerlichen Bestreben nach Weiterentwicklung ihre Stärke verloren. Denn da sind zahlreiche neue Marken, die zunehmend den Markt erobern und in vielen Bereichen für eine Verdrängung sorgen. Da ist die Expansion bestehender Marken in neu geschaffene Verkaufsflächen, die nicht selten anstatt zum verhofften Mehr an Umsatz vielmehr zu einem Mehr an Monotonie und Langeweile führen und damit letztendlich zu sinkender Kundenfrequenz und Flächenproduktivität. Da sind die fallenden oder bestenfalls gleichbleibenden Gesamtausgaben in der Bekleidungsindustrie. Und da ist auch das Internet als zunehmend dominierendes Medium, das beträchtliche Umsätze in den Onlinehandel verlagert. Um es kurz zu machen: Viele Faktoren sorgen für eine Veränderung des Konsumentenverhaltens und die Erwartungshaltung der Verbraucher gegenüber Verkaufsflächen hat sich nachhaltig verändert. „Das Bild des Mono-Marken-Konsumenten, wie man es noch vor Jahren gelehrt hat, gibt es in dieser Form nicht mehr“, erklärt Mark Singrin. Während Konsumenten früher ein klares Brand-Set im Kopf und damit bereits vor dem Kauf für sich definiert hatten, von welcher Marke ein Produkt erworben werden soll, entscheiden sich Verbraucher heute erst direkt auf der Verkaufsfläche. Der POS ist zum Marken stiftenden Element geworden. Es bedarf eines Emotional Brandings, denn Konsumenten bewerten Marken heute viel stärker als früher und wünschen sich immer mehr Möglichkeiten, an Brandwelten teilzuhaben. Es geht um die Identifikation mit einer Marke, also um gemeinsame Werte, Ziele und Erlebnisse, um eine transparente Herkunft und Geschichte, um den Dialog und um das Vermögen zur Mitgestaltung von Produkten. Die Markenstringenz auf allen Flächen und Kanälen, die Verbindung von Online und Offline sowie das Schaffen von positiven Einkaufserlebnissen am POS sind die Erfolgsschlüssel für die Zukunft“, führt Mark Singrin weiter aus.

Um zu jeder Zeit ein Einkaufserlebnis zu garantieren, müssen Kollektionen mit einer klaren Kollektionsaussage aufwarten und mit einer klaren Struktur entwickelt sein: Trendthemen für die Rückwand, Mengenartikel für den Mittelraum, dazu modische Kapselkollektionen und durchlaufende NOS-Programme („Never-Out-Of-Stock“). Und das bei kleiner werdenden Verkaufsflächen. „Darauf gilt es eine Antwort zu haben. Auf kleinem Raum muss die Marke erlebbar gemacht und die Kollektion perfekt präsentiert werden. Multi-Brand-Stores werden in unterschiedliche Bereiche geteilt und Retail wird mit Online-Handel verschmelzen, denn was auf der Fläche nicht vorrätig ist, muss künftig direkt im Store online bestellt werden können. Dazu die Click and Collect-Funktion im Umkehrschluss sowie die Möglichkeit, sich online eine Orientierung zu verschaffen, in welchem Store mein gewünschtes Produkt vorrätig ist. Das Shoppen über unterschiedliche Kanäle muss sich dabei keineswegs ausschließen. Im Gegenteil, hier bestehen durch die Hinzunahme neuer Technologien und Gadgets immense Möglichkeiten, sich gegenseitig zu ergänzen. Das ist eine Riesenchance, der Retail muss sich weiterentwickeln und die Zukunft mitgestalten“, weiß Mark Singrin. „Stores bekommen verstärkt eine Art Showroom-Charakter. Damit es hier aber eben nicht beim Anschauen oder bestenfalls Anprobieren bleibt, müssen Modemarken heute glaubhaft und über alle Sinne wahrnehmbar kommunizieren, dass ihre Werte tiefer gehen, als die aktuelle Marketingstrategie.“ Die Grenzen zwischen Visual Merchandising und Visual Marketing sind also nicht etwa fließend, sondern längst aufgehoben. Markenbildung im Retail-Bereich bewegt sich heute weit über die klassische Verkaufsfläche hinaus. Ganzheitliches Storytelling und ein auf Kundenbedürfnisse, Qualität und Effizienz ausgerichteter Optimierungsprozess lauten die beiden Gebote der Stunde.

Anpassungsfähigkeit, Kontinuität und Transparenz

Erfolgreich am POS kann also nur sein, wer seine Ware authentisch in Szene setzt und stringent wie glaubwürdig mittels Cross-Channel-Effekten auf allen Ebenen die richtige Geschichte erzählt. Dieser ganzheitliche Ansatz des Storytelling ist es, der Visual Marchandiser immer wieder zu originellen Denkansätzen und Lösungen treibt, so dass die Markengeschichte für Kunden über alle Kanäle laufend neu erlebbar wird, ohne sie vom eigentlichen Produkt abzulenken. Anpassungsfähigkeit, Kontinuität und Markentransparenz lauten hierbei die zentralen Stichworte, von denen sich Mark Singrin bei seiner Arbeit leiten lässt. „Markenwerte wandeln sich nicht über die Zeit hinweg. Nur der Raum, im dem sich eine Marke bewegt, verändert sich“, erläutert der Visual-Merchandising-Experte. Um die Konsumenten immer wieder zu überraschen muss man zwar seine Marke(nwerte) stetig neu projektieren, die zu transportierende Botschaft hat jedoch immer die gleiche zu sein. Und sie muss ehrlich und authentisch sein“, erklärt Mark Singrin.

Exzellent am POS

Das Meistern dieser Herausforderung erfordert eine Lösung, die – wie so oft – nicht in einem einzigen Bereich zu finden ist, sondern im richtigen Zusammenspiel vieler einzelner Bausteine besteht. Und sie beginnt mit dem Schaufenster. Gut gestaltet und aus der Masse herausstechend stoppt es den Kundenlauf, sorgt für Aufmerksamkeit, steigert die Bekanntheit und pflegt das Image. (Ver-)lockend inszeniert bringt es schließlich den Konsumenten zur Ware, wo es dann – als Verlängerung des Schaufensters – zum direkten Kontakt zwischen Kunde und Marke auf der Fläche kommt. Hier bestehen die Aufgaben des Visual Merchandisings aus dem Schaffen von Orien-
tierung, einer nachhaltigen Imagebildung sowie letztendlich der Steigerung des Umsatzes. Letzteres erreicht man über sogenanntes Zoning, also der klaren Strukturierung der Verkaufsfläche. Dabei definiert man Promotions, Mengenartikel, Trendthemen und Markenimage kommunizierende Bereiche innerhalb einer Zone, wodurch indirekt auch schon intuitive Laufwege vorgegeben werden. So wird der Kunden nicht nur über die gesamte Fläche geführt, auch seine Verweildauer erhöht sich signifikant, was wiederum den Anreiz zum Kauf verstärkt.

Stimmig bis ins Detail

Beim Erlebbarmachen einer Marke im Raum bezieht sich der ganzheitliche Ansatz aber nicht nur auf die Art der Warenpräsentation. Es geht auch um den richtigen Gebrauch von Materialien. „Storytelling kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn die eingesetzten Elemente tatsächlich einzigartig sind und Design und Formsprache der Marke widerspiegeln, denn aus Markenwerten und -geschichte entsteht ein Anforderungsprofil, das vom Gebäudekern über Ausstattung, Licht und Einrichtung bis hin zur Dekoration auf den jeweiligen Store übertragen werden muss. Das sieht man beispielsweise an Konzepten wie Abercrombie, Anthropologie oder Urban Outfitters. Diese wurden oftmals – anstatt daraus zu lernen und auf die eigene Marke zu adaptieren – einfach nur 1:1 kopiert, dabei aber nicht wirklich verstanden. Was die Nachahmungen von Beginn an unglaubwürdig macht“, führt Mark Singrin aus. Lichtstimmung ist beispielsweise so ein zentraler Bestandteil des Storytellings, wobei moderne LEDs zunehmend eine klare Vorreiterrolle übernehmen, da sie sehr nahe am natürlichen Lichtspektrum liegen. Insgesamt geht es aber darum, bei Storeplanung unterschiedliche Lichtarten und -farben einzusetzen. Einzelne Lichtleisten lassen sich am besten elektronisch ansteuern und z. B bei hohem Lichteinfall abschalten, was dann als schöner Nebeneffekt auch zu Kosteneinsparungen führt.

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