Category Management: Nachholbedarf im Mittelstand

Verkaufen war auch schon mal anders. Sortimentsoptimierung, Regalflächenproduktivität, Laufstreckenanalyse – diese Schlagworte halten Einzug in die Vertriebsabteilung von Konsumgüterunternehmen jeglicher Größe. Denn Hersteller setzen heute auf das so genannte Category Management, um gemeinsam mit dem Handel Effizienzpotenziale zu erschließen und die Profitabilität zu steigern. Wie? Durch die Verbindung der häufig konträren Industrie- und Händlerperspektive und die genaue Beachtung der Konsumentenanforderungen werden Kategorien optimal ausgerichtet und deutliche Umsatzsteigerungen erreicht.

Ursprünglich ein Thema der Industrie und durchweg konzerngetrieben, ist Category Management heute durch seine weite Verbreitung und die Aktivitäten des Handels für alle Player zur Pflicht geworden. Während internationale Unternehmen wie Unilever oder Procter & Gamble schon lange "alte Hasen" im Category Management sind, sind insbesondere Branchen wie Getränke, WPR oder Fleisch- und Wurstwaren, die hauptsächlich von national agierenden, häufig mittelständischen Herstellern bestimmt werden, in den letzten Jahren nachgezogen. Dabei offenbaren sich in komplexen Warengruppen, wie zum Beispiel bei Getränken (mit Regal- und Stellflächen, Einzelflaschen, Multipacks und Kisten sowie verschiedenen Verpackung), häufig Optimierungspotenziale, durch die Umsatzsteigerungen pro Laufmeter zwischen 3 und 12 Prozent realisiert werden können.

Auch Non-Food Regale machen vor dieser Entwicklung keinen Halt: Edeka Minden hat kürzlich umfassend über Projekte im Bereich der Papierwaren berichtet. Die Erwartungshaltung der Einkäufer im Handel ist somit deutlich angestiegen. Schon längst reichen Werbekostenzuschüsse und gute Konditionen nicht mehr aus, um das Jahresgespräch erfolgreich zu führen. Gefordert ist ein umfassendes Wissen um die Kategorie und eine entsprechende Weitsicht was die zukünftigen Potenziale betrifft. Vertriebsabteilungen auf Herstellerseite müssen also umdenken. Viele Konzerne haben längst Teams mit ausgebildeten Category Managern etabliert, da für sie die Vorteile von Category Management auf der Hand liegen: Wer an der Positionierung der eigenen Kategorie mitwirkt, hat langfristig natürlich Vorteile bei Platzierungen oder Promotionen mit dem Handel. Und wer als "Category Captain" im Namen aller Mitbewerber das Regal mit dem Händler optimieren darf, hat die Nase vorn. Allein der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen zu den Entscheidern im Handel entspannt auch die Atmosphäre bei den Jahresgesprächen deutlich.

Doch wie kann ein mittelständischer Hersteller, der nicht als "Category Captain" die kontinuierliche Projektarbeit mit Edeka oder Rewe durchführen darf, Vorteile aus dem Category Management ziehen? Zum einen führt die Auseinandersetzung mit der Definition und Segmentierung der eigenen Kategorie in Verbindung mit der Konsumentensicht zu Erkenntnisgewinnen – auch über die Rolle des eigenen Produktes bei dem entsprechenden Einzelhändler. Wird beispielsweise Zucker bei Gewürzen oder Backzubehör gesucht? Ein besseres Verständnis der Sichtweise der Händler, ihrer Strategien und Treiber, die für die Entwicklung der Kategorien verantwortlich sind, lässt den Hersteller kompetenter wirken und Verhandlungen "auf Augenhöhe" verlaufen so weitaus besser. Auch Jahresgespräche können auf einer anderen Ebene geführt werden. Es geht nicht mehr um das reine "Konditionen bolzen"; vielmehr kann das objektive, gemeinsame Verständnis der Kategorie zu ihrer Wertsteigerung beitragen. Dazu gehört auch die kritische Reflexion des Herstellers, ob ein neues Produkt oder eine echte Innovation wirklich zur Umsatzsteigerung des Händlers beitragen kann. Im Ergebnis bedeutet dies mehr Profitabilität für beide – Hersteller und Händler. Innerbetrieblich führt die Auseinandersetzung mit dem Category Management zu einem Umdenken im Vertrieb von reiner Mengen-/Volumenorientierung hin zum Wertschöpfungsgedanken bei vertrieblichen Aktivitäten. Hiermit werden die typischen preislich aggressiven und markenschädigenden Aktivitäten zum Jahresende zunehmend vermieden, wenn der Bonus nicht nur an die abgesetzte Menge gekoppelt ist. Category Management erfordert dabei nicht nur die Umstellung bestimmter Prozesse, sondern verlangt vielmehr eine "kulturelle" Umstellung im gesamten Unternehmen.

  • Ein klares Konzept: Wichtig ist, dass ein in sich schlüssiger Ansatz konsequent verfolgt und auch adäquat auf die jeweilige Händleranforderung angepasst wird. Hierzu ist die Einbindung interner und externer Informationsquellen wesentlich, nicht nur um dem Händler zu zeigen, dass man sich mit seinen Problemen beschäftigt, sondern auch um Verständnis für den Shopper zu erlangen. Auch wenn die Datenversorgung nicht in allen Kategorien so umfangreich wie bei Waschmittel ist – kreative Lösungen müssen angegangen werden.
  • Kein "Hobby der internen Marktforschung": Mindestens eine Person muss sich hauptverantwortlich um das Category Management kümmern. Wird Category Management nur halbherzig verfolgt, so kommt es tatsächlich dazu, dass der vielzitierte "Datenfriedhof" im Unternehmen aufgebaut wird, eine nutzenstiftende Analyse aber aufgrund von Kapazitätsengpässen ausbleibt. An dieser Hürde ist in der Vergangenheit auch schon mancher Konzern gescheitert.
  • Einbindung und Schulung der eigenen Vertriebsmitarbeiter: Die Vertriebsmitarbeiter sind die Türöffner für zukünftige Projekte im Handel. Stößt man hier bereits auf Unverständnis, wird auch Category Management im Dialog mit dem Handel schwierig. Category Management ist eine Dienstleistung am Kunden und der Kategorie und darf daher auch nicht als Überzeugungsinstrument für die eigene Marke falsch verstanden werden. Die Früchte der Sortimentsarbeit werden erst sehr viel später geerntet.

Wichtig für den Mittelständler ist, seine Rolle im Category Management Prozess mit den verschiedenen Kunden zu erkennen. Tritt das Unternehmen oder die Marke nicht als "Category Captain" auf und sind bereits andere Konzerne stark in der Projektarbeit mit dem Kunden verankert, so ist es wenig zielführend den kompletten Prozess (siehe nebenstehende Grafik) durchlaufen zu wollen. Hier sollte eher mit Detailergebnissen in der Kategorie bis hinunter auf Packungsebene (SKU) argumentiert werden, um dem Partner im Handel Kompetenz zu vermitteln. Auch der Rat von Außenstehenden sollte gerade in der Anfangsphase eingeholt werden, um bei der Implementierung ein professionelles Vorgehen zu garantieren. Konkrete Möglichkeiten Category Management-Projekte aufzusetzen, sind unter anderen auch im regionalen Umfeld zu suchen. Viele Kategorien sind von lokalen Sorten und Marken geprägt. Vergleicht man allein die Bierregale in Flensburg und Garmisch-Partenkirchen, so erkennt man, dass sich ein komplett unterschiedliches Bild ergibt. Als Markenhersteller sollte man gerade hier bei kleineren Kunden Kompetenz zeigen, indem regionale Unterschiede in der Sortimentsempfehlung herausarbeitet werden. Als Startpunkt eignen sich auch hier kleinere Accounts, um erste Projekte durchzuführen. Der örtliche Getränkeabholmarkt oder Supermarkt wird sich freuen, wenn man sich nicht nur mit seinen Abgabepreisen beschäftigt, sondern sich mit ihm über seine zukünftige Strategie in den Sortimenten Gedanken macht. Klar ist: Egal ob kleinere Accounts oder führende Marke des Unternehmens – im Mittelstand herrscht in Sachen Category Management Handlungsbedarf. Nur wer sich mit diesem Thema professionell auseinandersetzt, wird vom Handel auch künftig als ebenbürtiger Gesprächspartner respektiert.
Jan-Fredrik Stahlbock, Dr. Wieselhuber & Partner GmbH

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