Cross-Channel 2.0 oder wie man online und offline richtig verzahnt
Am 7. und 8. Mai 2015 fand die dlv-Ladenbautagung 2015 unter dem Motto "Radikal Digital – Dichtung und Wahrheit" statt, diesmal in Berlin. Rund 190 Teilnehmer waren der Einladung des dlv- Netzwerk Ladenbau e.V. gefolgt und tauschten sich zu den Herausforderungen des Ladenbaus im digitalen Zeitalter aus.
Als Referenten waren in diesem Jahr Vertreter aus der Forschung, dem Handel und der Store-Planung eingeladen, um die verschiedenen Aspekte der Digitalisierung und die damit einhergehenden Herausforderungen für den Ladenbau zu erfassen. Dr. Kai Hudetz vom IFH Köln erläuterte in seinem Vortrag, wohin die Reise des Ladenbaus im digitalen Zeitalter führt. Sein abschließendes Resümee: "Die Ladengeschäfte der Zukunft sind digital". Die vielen präsentierten Beispiele der Referenten zeigten, dass die Verknüpfung von digitalen Konzepten für den Handel ein herausfordernder, kostspieliger und mit vielen Stolpersteinen gepflasterter Weg ist.
Für "POS kompakt" hat die Referentin Susanne Sorg, die vielen Entscheidern aus Handel, Markenartikelindustrie und POS-Branche gut bekannt sein dürfte, die zentralen Thesen ihrer Präsentation zusammengefasst. Seit 1. März 2015 verantwortet sie als Bereichsleiterin "Product Management und Business Development" das Produktmanagement GS1 Complete und fTrace mit den jeweiligen Services sowie die Geschäftsfelder Mobile Payment, Mobile Couponing und Sustainability. Davor verantwortete sie bei der Tchibo GmbH den Bereich Cross Channel und beschäftigte sich in dieser Funktion mit der Verknüpfung von On- und Offline-Handel. Auch ist Susanne Sorg Präsidentin des POPAI D-A-CH e.V., des führenden internationalen Verbandes für POP-Marketing.
Abkehr vom Silo-Denken hin zur echten Verzahnung
Bevor Susanne Sorg die Zuhörer an die Frage heranführte, was konkret zu tun sei, versuchte sie Klarheit in die verschiedenen Begrifflichkeiten zu bringen. Der digitale Wandel kam vielleicht für viele gefühlt fast über Nacht, aber objektiv betrachtet ist der digitale Wandel ein allmählicher Prozess der als Single-Channel begann, zu Multichannel wurde, und sich dann weiter über Cross-Channel zu Omnichannel entwickelte. Heute haben wir eine ziemlich fragmentierte Shopping-Landschaft: Es gibt Web Shops, stationäre Händler, Mobile Commerce und Social Commerce. Aber wie bringt man diese strategisch so zusammen, dass dabei am Ende statt eines Durcheinanders vielmehr erfreuliche Umsätze generiert werden? "Egal wie man es nennt – es geht um die Abkehr vom Silo-Denken", betont Susanne Sorg, "um die Aufgabe von Bereichsegoismen hin zu einer echten Verzahnung mit durchgängigen Prozessen und einer Organisation."
Fünf Evolutionsstufen bis zum kanalübergreifenden Einkaufserlebnis
Die verschiedenen Entwicklungsstadien wurden anhand eines Charts aufgezeigt: Es beginnt mit der Stufe 1, der "Multichannel-Communication": In diesem Stadium gibt es Informationen, die online verbreitet werden, allerdings über Aktionen am stationären POS. Die zweite Stufe ist der "Multichannel-Commerce", der sich dadurch auszeichnet, dass der Verkauf bereits über mehrere Kanäle stattfindet, diese allerdings noch voneinander isoliert sind. Der Kunde hat noch kein kanalübergreifendes Einkaufserlebnis. Außerdem ist die Stufe 2 charakteristischerweise von einer Kannibalisierungsangst zwischen den Kanälen geprägt. Die nächste Stufe 3 ist dann der "Multi-Cross Channel Commerce": In diesem Entwicklungsstadium sind einzelne Prozesse über Kanäle hinweg möglich, diese werden aber immer noch isoliert betrachtet, zum Beispiel bei der Bestandspflege. Auch auf dieser Stufe sind Kannibalisierungsargumente weit verbreitet. Stufe 4 ist dann der "Cross-Channel Commerce". Hier gelingt die Abschaffung des Kanaldenkens und die Verschmelzung der Sortiments- und Verkaufsprozesse. Der Onlineverkauf geht dabei zu Lasten des Filialbestandes.
Kannibalisierungsargumente sind hier nur noch vereinzelt anzutreffen. Das finale Entwicklungsstadium, die Stufe 5, ist dann der "Commerce". Hier findet ein vollständig kanalübergreifendes Einkaufserlebnis statt, denn sämtliche Kundenprozesse und -kommunikation wurden miteinander verschmolzen. Es gibt überhaupt kein Kanaldenken mehr, dem entsprechend ist es auch egal, wo und wie der Kunde einkauft. "Die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen", so der Kommentar von Susanne Sorg in diesem Zusammenhang, "befinden sich derzeit in Phase 3. Mir sind aktuell keine Unternehmen bekannt, die bereits die Stufe 5 erreicht haben."
In der Zukunft ist der Kunde der POS
Susanne Sorg merkte an, dass ein vollständig kanalübergreifendes Einkaufserlebnis den Kunden selbst zum POS macht. Denn er entscheidet, wann, wo und wie er kauft. Und diese Entscheidung trifft er situativ und subjektiv, ganz seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Anzahl unterschiedlicher Kanäle in Zukunft sogar noch weiter zunehmen wird: Google, Facebook, Twitter, YouTube, Instagram, Flickr, Pinterest... das Ende der Fahnenstange ist mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht erreicht.
"Wenn ein Unternehmen nun seine Prozesse effektiv und sinnvoll optimieren, also "verzahnen" möchte", dann bedeutet das in der Konsequenz eine Veränderung des Geschäftsmodells und einen der größten "Change"-Prozesse, wenn nicht sogar den größten "Change"-Prozess, den Firmen in den letzten 30 Jahren erfahren haben. Omnichannel ist interdisziplinär, dass heißt Omnichannel erfordert sowohl das Zusammenspiel als auch die Veränderung ganz verschiedener Bereiche, wobei der Service für den Kunden stets im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen muss."
Bei der Integration digitaler Services auf der Fläche wird der Ladenbauer als professioneller Partner gesehen und auch gesucht. Die Tagung zeigte einmal mehr die zunehmende Bedeutung eines
soliden Netzwerkes, um als Unternehmen für die Zukunft gerüstet zu sein und die Verschmelzung verschiedener Bereiche abdecken zu können. "Ladenbauer haben die Kompetenzen und müssen dem Handel unterstützend und beratend zur Seite stehen, denn der Händler hat eine ganz Reihe von "To Do’s" auf seiner Agenda, will er Cross Channel oder Omni-Channeling betreiben, angefangen bei der Klärung der strategischen Zielsetzung, bis zum Training der Mitarbeiter und der Kommunikation," so das Resümee von Susanne Sorg am Ende ihres Vortrags.