Metamorphose einer Marke

Wie Alpina der Wandel vom chemischen Produkt zum Konsumgut gelingt.

Die Marke Alpina ist in Deutschlands Baumärkten eine Bank: Bereits 1909 wurde das Patent für Alpinaweiß angemeldet - und ist eine der bis heute beliebtesten und besten Wandfarben. Europas meistgekaufte Innenfarbe ist äußerst deckend, lässt sich leicht verarbeiten und hat eine hohe Reichweite. Heiko Trimpel, Leiter Marketing der Deutschen Amphibolin-Werke (DAW), zu denen die Marke Alpina gehört, hat ehrgeizige Wachstumsziele für das Unternehmen ausgegeben. Und das, obwohl die Rahmenbedingungen für Wachstum auch in den osteuropäischen Märkten, in denen Alpina viele Jahre sehr erfolgreich war, mittlerweile deutlich schwieriger geworden sind. Trimpel gab als Ziel Wachstum in allen europäischen Märkten aus - in Russland sollten die Umsatzzahlen innerhalb von zwei Jahren gar verdoppelt werden. Basis für dieses Wachstum sollte eine klarere Positionierung sein.

Am Anfang war der Pitch

Zunächst sah es nach einem Markenrelaunch nach gängigem Muster aus: Ein Pitch wurde ausgerufen, zu dem auch kakoii eingeladen wurde. Dann würde eventuell ein wenig am Branding gefeilt und das Verpackungsdesign optimiert. Doch beim internationalen Markenrelaunch von Alpina nahm das Geschehen dann eine etwas andere Wendung. Für die kakoii-Chefs Thekla Heineke und Stefan Mannes war von Anfang an klar, dass man einen internationalen Markenrelaunch nicht einfach am Schreibtisch konzipiert. Man muss ein Gespür für die verschiedenen Märkte entwickeln, ebenso für die Zielgruppe und man muss unbedingt auch die Händler befragen und sich ein konkretes Bild von der Warenpräsentation vor Ort machen. Langer Rede kurzer Sinn - bei kakoii wurden erst einmal die Koffer gepackt. Raus aus den eigenen vier Wänden, hinein in die wunderbare Welt des Point of Sale. Dies beschlossen die Kreativen aus Berlin auf Eigeninitiative, ohne sich zu diesem Zeitpunkt sicher zu sein, den Auftrag überhaupt zu bekommen. DAW war über soviel Engagement zunächst überrascht, dann beeindruckt. Der Pitch wurde abgeblasen und kakoii bekam direkt den Zuschlag.

Die Erwartungen derKunden am POS zu enttäuschen, ist fatal

Die Schnittstelle zwischen Agentur und POS ist traditionell eine brisante: Viel zu oft entwickeln Agenturen kreative ATL-Kampagnen ohne sich über die konsequente Verlängerung am POS Gedanken zu machen. Nichts sei fataler, als die Erwartungen der Kunden da zu enttäuschen, wo die Marke ihren wichtigsten Auftritt habe, also am POS, warnte schon Marketing-Experte Wolfgang Frick in seinem Buch "Kunstfehler im Marketing".

Die große Inspektion: alles auf dem Prüfstand

Die Erkenntnisse von kakoii nach der großen "Inspektion" des POS-Auftritts der Marke Alpina waren aufschlussreich, aber aus Sicht des Markenartiklers auch ernüchternd: Alles muss auf den Prüfstand - die Produktnamen, die Verpackung, die Präsentation am POS, sogar das Sortiment und die Unternehmenskultur. Die Markenstrategie, die kakoii auf Basis der Erkenntnisse ihrer Reisen an zahlreiche Verkaufsorte in ganz Europa entwickelte, sollte aus einem chemischen Produkt ein Konsumgut machen - nicht mehr, aber erst recht nicht weniger. "Alpina stand traditionell für sehr hohe Deckkraft nach nur einem Streichgang", erläutert kakoii-Chefin Thekla Heineke. Doch der abverkaufsfördernde Nutzen dieser Imagebotschaft ist heute nahezu aufgebraucht - zu wenig für die ambitionierten Wachstumsziele von Alpina in den europäischen Märkten. Menschen vor allem in Süd- und Osteuropa suchen zwar gern selbst die Farbe für den Anstrich aus, lassen die Arbeit aber gern von Schwarzarbeitern oder Semi-Profis erledigen. Die wichtigste Motivation für den Kauf der Farbe sei aber - wie kakoii bei seinen Untersuchungen feststellte - immer eine klar umrissene Emotion, die sich am besten mit "Freude auf ein schönes Zuhause" beschreiben lässt.

Sortimentserweiterung für mehr Präsenz am POS

Auf Grundlage der neuen Markenstrategie wurde dann das Sortiment optimiert. Die drei verschiedenen Preisklassen "günstig, mittel und premium" wurden in leicht verständliche Slogans gepackt: "Die Praktische für innen (günstig)", "die Bewährte für innen (medium)" und "die Edle für innen (premium). Darüber hinaus legte kakoii den Farbenspezialisten eine Sortimentserweiterung nahe, denn dies sei gleichbedeutend mit einer stärkeren Präsenz am POS - von entscheidender Bedeutung gerade für eine Ankermarke wie Alpina im DIY-Kanal. Außerdem erleichtern die verschiedenen Sortimente dem Kunden die Auswahl. Bei der Abtönfarbe setzt kakoii auf den High-Involvement-Faktor: "Alpina soll Inspiration liefern", sagt Mannes. Und wie geht das? Mit einer speziell entwickelten App kann der Kunde an einem Bildschirm einen virtuellen Raum erschaffen und dort das Interieur der eigenen Wohnung nachbilden. Aus einer Datenbank werden dem Kunden dann Vorschläge für die passende Farbgebung seiner Wände gemacht.

Gelebte Markenwerte: Viel mehr als nur Markenkosmetik

Der europaweite Markenrelaunch von Alpina wurde durch die praxisorientierte Umsetzung der Berliner Agentur kakoii viel mehr als nur Markenkosmetik: Am erfolgreichen Schluss steht eine am POS starke Marke, deren Werte mit den Produkten nicht nur in den verschiedenen Vertriebskanälen nach außen strahlen, sondern auch von den Mitarbeitern des Unternehmens gelebt werden sollen. Dies ist mit Sicherheit der schwierigste Teil des Alpina Relaunches, denn es braucht schon etwas Zeit, den Blickwinkel der verantwort-lichen Vertriebsleiter von DAW, meist Chemiker mit langjähriger Expertise in der Produktentwicklung, weg von der Sicht des Entwicklers hin zur Shopper-Perspektive zu lenken.Wenn es am Ende gelingt,das Markenversprechen der Werbung nicht nur am POS, sondern auch im Kopf der Mitarbeiter nachhaltig zu verankern, dann haben DAW und kakoii mit großem Aufwand und Anstrengungen in eine erfolgversprechende Zukunft der Marke Alpina investiert - eine Investition, die sich Auszahlen dürfte.

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