Vom Feeling her immer ein gutes Gefühl...
... oder wie man mit Neuromarketing die Emotionen der Shopper am POS positiv beeinflusst und glücklichen Kunden mehr verkauft: Am 11. November lud Shoppermetrics, unabhängiges Institut für Marktforschung und Beratung rund um den Point of Sale aus Hamburg, Vertreter aus der Markenartikelindustrie und des Handels sowie Agenturen, deren Aufgabenbereich mit dem POS verknüpft ist, zum ersten "Shopper Research Day 2014" ein. Als Medienvertreter war "POS kompakt" vor Ort. Die Veranstaltung, die unter dem Motto "Keine Kaufentscheidung ohne Emotionen" stand, fand denn auch folgerichtig in einer hochemotionalen Location statt: auf dem Stadiongelände des FC St. Pauli.
Was heute keine Aufmerksamkeit auf sich zieht, geht im übergroßen Angebot unter. Der Handel befindet sich bekanntlich nicht mehr in einem Wettbewerb der Produkte, sondern in einem Wettbewerb der Wahrnehmung. Dies gilt umso mehr, als der stationäre Handel von heute immer stärker auch mit E-Commerce-Konzepten und Online-Händlern um die Gunst der Verbraucher ringt. Eine langfristig ausgerichtete, erlebnisbetonte Positionierung und die gestalterische Umsetzung dieser am POS, bietet für den stationären Handel Potenziale zur Differenzierung und somit zu einer effektiveren Wahrnehmung der Handelsleistung und – wenn man alles richtig macht – zu erhöhter Kundentreue.
Untersuchungen bestätigen, dass Erlebnisse, Emotionen und Atmosphäre den Umsatz und die Kauffreude erhöhen. Studien zeigen aber auch, dass Kundenzufriedenheit alleine heute nicht mehr ausreicht. Bis zu 45 Prozent aller Kunden sind mit den Leistungen ihrer Anbieter zwar sehr zufrieden, haben aber nur eine sehr geringe emotionale Bindung zu ihnen. Beim nächstbesten Angebot gehen sie zur Konkurrenz. Hohe emotionale Kundenbindung erzielt dagegen, wer neben der Leistung auch eine emotionale Identifikation bietet. Daher hat das erlebnisorientierte Marketing in der Forschung mittlerweile große Verbreitung gefunden, und die forschenden Unternehmen bieten heute vielfältige Maßnahmen und Analysen zur Messung und Identifikation der emotionalen Treiber rund um den POS. Wie man sieht, das Thema Emotionen und Kaufverhalten am POS ist immer eng verknüpft mit einer Marken- und Unternehmensstrategie und schon bei einem oberflächlichen Blick auf das Szenario wird deutlich: Will man mehr Umsatz am POS, so geht der Weg nur über das Herz des Kunden, und dort wird es dann allein schon aufgrund der Anzahl der einflussnehmenden Faktoren schnell unübersichtlich.
Der erste "Shopper Research Day 2014" bot daher zum skizzierten Spannungsfeld eine interessante Standortbestimmung der aktuellen Neuromarketing-Forschung und präsentierte unterschiedliche Perspektiven dazu von Seiten der Markenartikelindustrie (Dr. Alexander Lauer von Ferrero), des Handels (Dr. Markus Schweizer von Migros Aare) und beratender Unternehmen (Daniel A. Bender von Empatica und Prof. Dr. David Scheffer von fbtk. Consulting).
Schon während der kompakten Einleitung zum Thema "Emotionen und Kaufverhalten" durch Prof. Dr. Thorsten Teichert von der Universität Hamburg wurde bereits deutlich, wie stark dabei die neuesten Erkenntnisse aus der Hirnforschung dieses Anwendungsgebiet durchdringen und wie komplex und umfangreich Maßnahmen dabei sein können, um schließlich nicht nur zu ganz interessanten Erkenntnissen zu gelangen, sondern zu konkreten Handlungsempfehlungen mit einem echten Mehrwert für die Kunden aus Handel und Markenindustrie.
Voraussagen über Kaufentscheidungen mit "Affective Computing"
An die Einleitung schloss sich dann nahtlos der Vortrag von Daniel A. Bender von der Firma Empatica an. Diese arbeitet im weitesten Sinne im Bereich "Wearable Technologie", darunter versteht man alle Arten von Technologien und Sensoriken, die am Körper, in Körpernähe oder im Körper selbst getragen werden. Ein Großteil der "Wearables" für den Consumermarkt fällt derzeit noch in den Bereich Health-Style, wie die Schnittmenge von Sport- und Gesundheitsbereich genannt wird. Aber die Messung von Emotionen – und dabei sind wir schon bei der Spezialdisziplin von Empatica – sind dabei der nächste Schritt. Nach Wearable Technology kommt also nun "Affective Computing". Dank Gestensteuerung, Gehirnstrommessung und Stimmerkennung können die Wear-ables von Empatica emotionale Schwankungen erkennen. Sie messen Hautspannung, Hautfeuchte und Körpertemperatur und können daraus ableiten, ob positiver oder negativer Stress vorliegt. Daniel A. Bender betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des so genannten "Appraisal-Tendency Framework” (ATF) – also, den "Beurteilungstendenz-Ansatz" von Jennifer S. Lerner und Dacher Keltner als theoretisches Modell, um den Einfluss von Emotionen auf Risikowahrnehmung und Konsumentscheidungen zu erklären und vorherzusagen. Seine besondere Anwendung findet das Konzept in der Frage, wie und weshalb Emotionen, die in früheren Situationen entstanden sind, auf zukünftige Beurteilungen und Entscheidungen "abfärben", weshalb sie also zu systematischen "Beurteilungstendenzen" führen.
Dr. Scheffer von der Beratungsfirma fbtk Consulting stellte in seinem Vortrag die PSI-Theorie von Julius Kuhl kurz vor und erläuterte deren Relevanz für die Praxis. Die PSI-Theorie von Kuhl ist – so Scheffer – zurzeit eine der wohl führenden Persönlichkeitstheorien. Auf ihrer Grundlage lassen sich implizite (d.h. unbewusste) Persönlichkeits-Systeme messen. Dies ermöglicht ein tieferes Verständnis von Zielgruppen und eine Vorhersage von emotionalen Reaktionen und Verhaltensweisen am POS. So stellte Scheffer eine Fallstudie zum Thema "Buchhandel" vor, in der er im Rahmen der Untersuchung nachweisen konnte, dass das Ladendesign im konkreten Falle zwar mit einer designerischen Qualität punkten konnte, aber – was das Neuromarketing betrifft – an den Vorlieben der unmittelbaren, also eben leseaffinen Zielgruppe komplett vorbei ging. Keine guten Voraussetzungen für mehr Umsatz auf der Fläche.
Positive Emotionen erhöhen die Kaufmotivation
Im Zentrum des Vortrags von Dr. Gunnar Mau von Shoppermetrics stand ganz konkret die Kaufentscheidung. Im unmittelbaren Einflussbereich der Kaufentscheidung stehen dabei zwei Hauptdarsteller: Die Vernunft (Mind) und das Gefühl (Heart). Dass die beiden Systeme allerdings nicht für sich stehen, sondern vielmehr ständig miteinander interagieren, verdeutlichte Mau an zwei Beispielen: Facebook vs. Datenschutz oder auch die manchmal schwierige Entscheidung zwischen Obstsalat oder Schokotorte. In beiden Fällen stehen Vernunft und Gefühl konkurrierend nebeneinander und es gibt wahrscheinlich eine Menge guter persönlicher Gründe, sich entweder eher für die vernünftige oder aber die emotionale Variante zu entscheiden. Wenn man den Blick aber weg von diesen hochemotionalen Entscheidungen auf den Point of Sale richtet, so ist festzustellen, dass am POS eher flache, habitualisierte Emotionen wirksam sind – eben nicht die ganz große Oper... Dennoch sind es Emotionen, die den Ausschlag geben für die Entscheidung, ob ich kaufe, wie lange ich bleibe und welchen Preis ich akzeptiere. Die positiv besetzten Emotionen Genuss und Begeisterung wirken sich unmittelbar auf die Aufenthaltsdauer in der Filiale sowie auf die Impulskaufrate aus.