Das Marktforschungsunternehmen Mintel hat sieben Schlüsselfaktoren ausgemacht, die in den nächsten 10 Jahren die globalen Märkte beeinflussen werden. Die Prognosen über die Zukunft globaler Verbrauchermärkte wurden anhand von sieben Kategorien getroffen, die sich entscheidend auf das Kaufverhalten von Verbrauchern auswirken. 

Simon Moriarty, Director of Mintel Trends, EMEA, untersucht, wie diese sieben Treiber in den nächsten zehn Jahren Märkte, Unternehmen und Verbraucher beeinflussen werden. 

Wohlbefinden

Jeder möchte sich in seiner Haut wohlfühlen. Und mittlerweile geht es dabei um viel mehr als nur darum, ein bisschen mehr auf sich zu achten. Seinen Lebensstil radikal ändern oder sich einer bewusstseinsverändernden Kur unterziehen muss man dafür jedoch nicht. Vielmehr ist es ein ganzheitlicher Ansatz, ausgelegt auf Convenience, Transparenz und Werthaftigkeit, den Verbraucher wollen. Es wird größere Nachfrage nach Produkten bestehen, die das Leben wirklich verbessern – und nicht nur schöner aussehen lassen. Mindfulness (zu Deutsch: Achtsamkeit) und bewusstes Bewegungstraining spielen in der heutigen schnelllebigen Welt eine immer größere Rolle und werden in Zukunft genauso wichtig sein wie körperliche Fitness. Unternehmen werden für ihre Kunden Partner in puncto Wohlbefinden werden. Zwar werden der Massenmarkt und der „Eine-Lösung-für-alle“-Ansatz auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung haben. Aber es wird, gerade vor dem Hintergrund, dass die Lebensgewohnheiten sich insgesamt ändern, immer mehr Individualprodukte geben, die auf die unterschiedlichsten Verbraucherbedürfnisse zugeschnitten sind.

Umfeld

Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und der Klimakrise müssen wir unseren Konsum, unsere Abfallproduktion und unseren Energieverbrauch einschränken. Wir lernen, das begrenzte Platzangebot mit anderen zu teilen und mehr zusammenzuarbeiten. Die weiterentwickelte, preisgünstigere Telekommunikationstechnologie macht das Arbeiten flexibler und gibt uns die Möglichkeit, zu digitalen Nomaden zu werden. In den nächsten zehn Jahren werden die sozialen Spannungen durch den Kampf um knapper werdende Ressourcen zunehmen, was die Schere zwischen Arm und Reich verschärfen könnte. Unsere Gesellschaften werden an einer nachhaltigen Ressourceneffizienz und einer besseren Städteplanung scheitern. Das wiederum wird den Expansionsdruck auf Städte erhöhen, welche sich dazu gezwungen sehen, weiter in unberührte und landwirtschaftliche Flächen vorzustoßen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kosten für den Anbau, die Bewässerung und den Transport von Lebensmitteln steigen und selbst Grunderzeugnisse exorbitant teuer werden.  

Technologie

Die mobile Technologie wird die Grenzen zwischen Zeit, Reisen, Arbeitsplatz, Studienort und Erholungsraum verschwimmen lassen: Virtuelle und erweiterte Realität (VR/AR) halten dann in unterschiedlichen Branchen wie der Tourismus- oder Unterhaltungsindustrie Einzug, während E-Sport das Potenzial dazu hat, realen Sportarten in Sachen Popularität den Rang abzulaufen. Auf der Suche nach menschlicher Interaktion und dem Schutz der Privatsphäre werden sich Verbraucher in den nächsten 10 Jahren jedoch gegen bargeldlose Zahlung und unbemannte Geschäfte zur Wehr setzen. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Ungleichheit und einer alternden Gesellschaft wird es neue Technologien geben, die die Folgen von Migration und Vertreibung entschärfen sollen. 

Rechte

Die „Cancel Culture“ bzw. „Call-out-Culture“, zu Deutsch auch Empörungskultur, in deren Rahmen Straftäter oder moralisch fragwürdig handelnde Personen und Organisationen in sozialen Netzwerken in den Fokus gerückt und öffentlich unter Druck gestellt werden, erstarkt. Dadurch erhält die Stimme des Verbrauchers mehr Gewicht. Der Jugendaktivismus wird dabei die Führung übernehmen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf aktuelle Fragen lenken. Gesetzgebende Instanzen werden so gezwungen, Ideen für echten Wandel zu entwickeln und umzusetzen. Zudem wird es zu einer grundlegenden Veränderung der Kontrolle über persönliche Daten kommen. Der Verbraucher erhält die Macht über die Erhebung, Speicherung und Weitergabe seiner Daten und wird für den Austausch dieser Informationen mehr verlangen. 

Identität

Menschen kehren den starren Definitionen von Gender und Ethnizität den Rücken zu. Sie stellen den Status quo infrage, rücken ab von starren Definitionen von ethnischer Herkunft, Geschlecht und Sexualität und entscheiden sich für eine selbstbestimmtere, flexiblere Definition der eigenen Identität. Gleichzeitig fühlen sie sich als Individuen insgesamt einsamer und fragen sich, ob sie ihre Identität in Wahrheit nicht verlieren. Obwohl die Menschheit vernetzter als je zuvor ist, nimmt das Gefühl von Einsamkeit und Ausgrenzung zu und wird bis zum Jahr 2030 extreme Ausmaße erreichen. Unternehmen, soziale Einrichtungen und Regierungen werden technologiebasierte Lösungen entwickeln, um dieser Epidemie der Vereinsamung den Kampf anzusagen. Mit dem Identitätswandel wird sich auch verändern, wie Verbraucher untereinander Kontakte knüpfen. Anstatt mit ihrer Familie werden sie mit „Ihresgleichen“ zusammenleben, d.h. mit anderen, die dieselbe Einstellung und die gleichen Hobbies teilen.

Werte

Wir leben in einer Zeit des exzessiven, untragbaren Konsums. Die „Swipe Up“-Kultur in den sozialen Medien treibt uns dazu an, immer mehr zu kaufen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels, der zu den bestimmenden Themen unserer modernen Gesellschaft gehört, entwickeln Verbraucher ein bewussteres Konsumverhalten. Auf der Suche nach Authentizität und Einzigartigkeit werden sie bei ihren Kaufentscheidungen deutlich minimalistischer; im Vordergrund stehen Langlebigkeit, Strapazierfähigkeit und Funktionalität. Zudem bringt die rasante Urbanisierung Wohnraummangel mit sich, wodurch es deutlich praktischer ist, weniger „Kram“ zu kaufen.

Erlebnisse

An sich ist die Tatsache, dass wir immer auf der Suche nach neuen Anregungen sind, nicht neu. Die Rolle, die diese Stimulation mittlerweile für die Entscheidungsfindung von Verbrauchern spielt, hat sich jedoch geändert. Der Erlebniswert sollte längst nicht mehr als Marketing-Tool oder Modeerscheinung abgetan werden. Tatsächlich bauen Verbraucher eine starke emotionale Bindung zu Unternehmen auf, die sich in diesem Punkt von der Masse abgrenzen. Durch modernste Technologie wurde das Erleben mit Freunden und Fremden teilbar. Jedoch führt die permanente Konnektivität auch dazu, dass wir uns nach extremeren Offline-Interaktionen sehnen und immer mehr Grenzen überschreiten. Um stärker Kontrolle über ihr Leben zu erhalten, werden Individuen bewusster darüber bestimmen, welche Erfahrungen sie machen wollen. Dazu gehört auch die „Kunst des Nichtstuns“ („nothing experiences“), bei der es ums komplette Abschalten geht – damit wieder Ruhe einkehrt. 

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