Das Phänomen des Greenwashings am POS

Brand Manager und Retail Experten sehen sich derzeit häufig den gleichen Fragen ausgesetzt: Wie sieht der POS der Zukunft aus? Wie kann ich dem zunehmenden Druck durch E-Commerce und Digitalisierung standhalten? Wie spielen digital und stationär zusammen? Welches POS-Konzept bietet meinen Kunden das optimale Shoppingerlebnis?

Graft Brandlab sieht neben der Digitalisierungsdiskussion vor allem für Betreiber von stationären Stores und Verkaufsflächen folgende Herausforderung: die Nachhaltigkeit des Markenauftritts. Und das nicht nur in der Kommunikation und dem Packaging sondern insbesondere auch am POS, bekräftigt Tim Kolbe, General Manager bei Graft Brandlab. Die Berliner Branding- und Markeninnovations-Agentur mit Expertise in räumlichen Inszenierungen hat im Zusammenspiel mit den Graft Architekten mittlerweile ein eindrucksvolles Portfolio von Projekten mit Nachhaltigkeitscharakter aufgebaut.

Zahlen und Fakten: Wie nachhaltig sind wir wirklich

Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit seit einigen Jahren überstrapaziert scheint, könnte es aktueller nicht sein: Aus dem jüngsten Living Planet Report des World Wide Fund For Nature (WWF) geht hervor, dass die Menschheit 60 Prozent mehr an Ressourcen verbraucht, als die Erde bereithält. Ein Ergebnis, das weltweit folgerichtig ein stetig wachsendes Interesse der Verbraucher nach umweltverträglichen Produkten und nachhaltig wirtschaftenden Marken auslöst, sowie das Konsumverhalten von Verbrauchern beeinflusst. Belegen lässt sich diese Tendenz anhand jüngerer Umfrageergebnisse zum Beispiel innerhalb der Gruppe der 21- bis 36-Jährigen, der sogenannten "Millennials". Laut einer globalen Studie mit 30.000 Befragten in 60 Ländern sind 73 Prozent der jungen Konsumenten bereit, mehr Geld für glaubwürdig nachhaltig auftretende Firmen, Produkte und Services auszugeben (Nielsen 2014). In diesem Zusammenhang ist noch ein weiteres wichtiges Ergebnis zu nennen: 49 Prozent der Millennials bevorzugen außerdem, für nachhaltige Unternehmen zu arbeiten, die ihren Erwartungen an eine transparente, authentische und aufrichtige Informationspolitik und Offenheit für Themen wie Produktionsstandorte, Materialien, Inhaltsstoffe etc. entsprechen. Marken, die dies für sich einzusetzen wissen, gewinnen also langfristig sowohl mehr Kunden als auch potenzielle Arbeitnehmer.

Greenwashing am POS – gefakte Nachhaltigkeit schreckt Kunden ab

Doch gerade dort, wo Kunden mit Marken und deren Produkten in Berührung kommen – am Point of Sale – nimmt das Bemühen um einen überzeugenden Auftritt häufig bizarre Formen an. Tim Kolbe betrachtet hier zum Beispiel den Holztrend argwöhnisch: "Wir treffen im Supermarkt auch bei neuen Konzepten auf Plastikdisplays, die mit Holzfolie überklebt wurden, Holzfurniere einsetzen oder tatsächlich mit Holzverblendungen arbeiten, die dann aber einen Importweg von 5.000 Kilometern hinter sich haben und damit eine katastrophale CO2 Bilanz mit sich bringen."

Es scheint, als sähen sich Unternehmen gezwungen, den Trend zu einem nachhaltigen POS mit einer kostengünstigen Lösung zu verfolgen, die meistens keinerlei tatsächlichen Nachhaltigkeitseffekt aufweist und die Glaubwürdigkeit der Marke eher in Gefahr bringt. In Zeiten von aufgeklärten Kunden wird das schnell als Fake und Greenwashing wahrgenommen. Kolbe ist deshalb überzeugt, dass insbesondere kurzfristig und kostensparend gewählte Lösungen sich mittel- und langfristig negativ auf die Wahrnehmung der Marke auswirken. Besonders im Social Media Zeitalter kann ein "gefakter" Auftritt Empörungswellen mit hoher Reichweite auslösen. Ein Greenwashing an falscher Stelle oder mit falschen Mitteln riskiert zunehmend, das Vertrauen der Kunden zu verlieren.

Upcycling statt Greenwashing – lokal statt global

Graft Brandlab appelliert daher an seine Auftraggeber, in tatsächlich nachhaltige Konzepte zu investieren und Kunden mit intelligent inszenierten POS-Konzepten zu überzeugen. Dabei empfiehlt die Agentur, zusätzlich zu Kommunikationskonzepten und ausschließlich effizienter Einsatzform von digitalen Medien vor allem umweltfreundliche Materialien, lokale Anbieter, modulare Lösungen und die Berücksichtigung der Wiederverwertung vorhandener Ressourcen. "Im Falle einer Renovierung oder Umgestaltung eines Storeumfelds analysieren wir mit unseren Kunden zunächst, welche Materialien und Bauteile vorhanden sind und wie diese kreativ zweckentfremdet oder wiederverwendet werden können. In einem zweiten Schritt eruieren wir möglichst lokale Anbieter, um unnötige Transportwege zu vermeiden. Lokale Materialien bringen zudem die Identität des Ortes, den genius loci, zum Vorschein – solche Orte sucht man ja letztendlich auch als Kunde lieber auf als irgendwelche austauschbaren Store-Konzepte", berichtet Alexandra Schindl, Senior Brand Strategist bei Brandlab, aus ihrem Arbeitsalltag.

Hier gilt es, das Thema Nachhaltigkeit in seinem eigentlichen Sinne neu zu erfinden und zukunftsfähig in POS-Konzepten umzusetzen. Transparenz + Kommunikation = Vertrauen + Loyalität Der "Nachhaltigkeitseffekt" entfaltet seine optimale Wirkung, wenn Maßnahmen dann auch für den Konsumenten klar sichtbar und nachvollziehbar sind. Gemäß dem Prinzip "Tue Gutes und rede darüber" sollten die nachhaltigen Aspekte im POS-Umfeld ersichtlich sein, um für Unternehmen einen Marketing-Mehrwert zu erzielen. So fragt sich Tim Kolbe zum Beispiel seit Jahren, warum viele FSC (Forest Stewardship Council) zertifizierte Displays nicht ihre Geschichte erzählen: nämlich, dass sich das Unternehmen für eine bestimmte Anzahl von Displays dazu verpflichtet hat, neue Bäume zu pflanzen. Früher oder später werden sich auch am POS ausgezeichnete Kennzahlen wie CO2- oder Abfallbilanzen durchsetzen. Die Nachfrage nach tatsächlich nachhaltigen und transparent kommunizierten Konzepten nimmt zu. Sowohl in Bezug auf das Produkt als auch für Verkaufs- und Einrichtungsmaterialien: Woraus ist es gemacht? Wo kommt es her? Wieviel Nachhaltigkeit steckt drin? Unternehmen, die sich der Aufgabe stellen wollen, ihren POS-Auftritt nachhaltiger zu gestalten, sollten einige Punkte beachten:

  • Kurzfristige Greenwashing-Lösungen werden von kritischen Konsumenten sofort durchschaut und schaden mittel- und langfristig dem Image.
  • Langfristig werden nur Marken- und POS-Inszenierungen erfolgreich bleiben, die es verstehen, Nachhaltigkeit stringent und glaubwürdig in ihren POS-Auftritten umzusetzen.
  • Was nicht kommuniziert wird, gibt es nicht. Kunden sind neugierig und fordern mehr und mehr Information und Transparenz. Eine informative, interaktive und vor allem aufrichtige Kommunikation ist der Schlüssel zu Vertrauen und Markenbindung.