Drogeriemärkte
Drogeriemärkte vs. Discounter: Schlägt der Preis immer noch die Präsentation?
Wer macht das Rennen im Kampf um die Gunst der Drogeriemarktkäufer? Die Insolvenz von Schlecker hat eine Lücke hinterlassen, die Begehrlichkeiten weckt, diese nun zu schließen.
Nun könnte man meinen, dass diese Lücke fast automatisch von den marktbestimmenden Filialisten im Drogeriemarkt-Segment gefüllt wird – also von dm, Müller und Rossmann. Jetzt haben auch die Discounter ins aktuelle Geschehen eingegriffen und scheinen motiviert, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu sichern. Schlagkräftigste Waffe, die dabei von den Discountern ins Spiel gebracht wird – und dies dürfte die meisten POS-Protagonisten nicht wirklich erfreuen – ist dabei einmal mehr der Preis. Entscheidende Frage dabei: reicht dies, um die Konsumenten nachhaltig für sich einzunehmen? „Nach der Schlecker-Pleite versuchen auch die Lebensmittel-Discounter, sich in diesem lukrativen Sortimentsbereich zu positionieren und den Umsatz anzukurbeln“, stellte der Discountexperte Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bereits im vergangenen Sommer fest. Die großen Drogerieketten, allen voran dm und Rossmann, erzielten ein anhaltend hohes Umsatzwachstum. Die Preissenkungen unterstrichen die Bemühungen der Discounter, sich von den großen Drogerieketten nicht preislich unterbieten zu lassen.
Unter dem Motto "mehr Drogerie für Sie" finden Netto-Kunden in den Filialen seit Anfang März dieses Jahres alle Artikel des täglichen Bedarfs sowohl an Nahrungsmitteln als auch an Drogerieartikeln. Das Drogerie-Sortiment umfasst nun neben Produkten für Haar- und Körperpflege auch Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Baby- und Tiernahrung sowie Intimhygiene, Papier und "freiverkäufliche Arzneimittel". Neu im Netto-Regal sind zahlreiche Marken sowie Eigenmarken wie die Naturkosmetik-Linie Aloive. „Mit unserer Drogerie-Offensive reagieren wir auf die gestiegene Kundennachfrage in unseren Filialen. Als Vorreiter im Discount-Segment nutzen wir mit unserem neuen, verbraucherorientierten Sortimentskonzept weiteres Potential dieser relevanten Warengruppe“, erklärt Franz Pröls, Geschäftsführer von Netto Marken-Discount.
Wer ist billiger?
Der Preiskampf zwischen Drogeriemärkten und Discountern ist eröffnet. Aldi Süd senkte unlängst die Preise für einige Drogeriewaren wie Männer-Deo, Allesreiniger und Feinwaschmittel. Auch Norma setzte den Rotstift bei Drogerieartikeln an. Die Preissenkungen erfolgten unmittelbar vor der "Drogerie-Offensive" von Netto Marken-Discount. Die Edeka-Tochter hat ihr Sortiment überarbeitet und will mit mehr als 1000 Artikeln die größte Drogerie-Auswahl aller Lebensmittel-Discounter bieten. "Nicht mit weniger Sortiment geht Netto also den nächsten Entwicklungsschritt an, sondern will im Drogeriesortiment jetzt sogar noch mehr bieten als bisher: mehr Marke. mehr Eigenmarke, bessere Präsentation und Drogeriemarktpreise", so die LZ in ihrer letzten Februarausgabe.
Schnelle Lebensmitteleinkäufe bei Rossmann Express
Doch nun ist es nicht nur so, dass die Discounter die Drogeriemarkt-Spezialisten angreifen. Auch die Drogeriemärkte bieten bereits Warengruppen der Discounter an. Beispiel Rossmann: Rossmann hat sich selbst unlängst zum "deutschen Bahnhofs-Drogeriemarkt" ernannt: Nach der Übernahme der "Ihr Platz"-Bahnhofsfilialen im Rahmen der Insolvenz des Konkurrenten Schlecker ist der Drogeriemarktbetreiber nun in 33 deutschen Haupt-, Fern- und Regionalbahnhöfen präsent – darunter die Hauptbahnhöfe Berlin, Hamburg und Köln. Für die neuen Bahnhofsfilialen hat Rossmann eigenen Angaben zufolge eine ganz eigene neue Vertriebslinie entwickelt: Rossmann Express. „Mit Rossmann Express führen wir ein erfolgreiches Konzept von "Ihr Platz" fort und gehen auf die Wünsche vieler Reisender nach schnellen Lebensmitteleinkäufen in den Bahnhofsdrogeriemärkten ein", ist der Rossmann-Geschäftsführer für Einkauf und Marketing, Klaus Praus, überzeugt. Die ersten "Rossmann Express"-Märkte haben im September letzten Jahres in den umgebauten "Ihr Platz"-Filialen der Hauptbahnhöfe Hannover und Köln eröffnet. Und Rossmann hat schon im vergangenen Jahr von der "Schlecker-Lücke" profitiert und 2012 einen mächtigen Umsatzsprung gemacht. Die Drogeriemarktkette mit Sitz in Burgwedel erlöste 5,95 Milliarden Euro – das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 16,1 Prozent. Damit habe das Unternehmen seine eigenen Erwartungen übertroffen, heißt es in einer Mitteilung. In Deutschland stiegen die Umsätze der 1.754 Märkte um 16,9 Prozent auf 4,45 Milliarden Euro (Vorjahr: 3,81 Milliarden Euro). Der Umsatz der Auslandsgesellschaften (Polen, Ungarn, Tschechien, Türkei und Albanien) wuchs um 13,6 Prozent auf 1,497 Milliarden Euro. Rossmann betreibt im Ausland aktuell 1.022 Drogeriemärkte (Polen 706, Ungarn 181, Tschechien 113, Türkei 16, Albanien 6). Und auch 2013 will Rossmann sein hohes Expansionstempo beibehalten. Mit 170 Millionen Euro plant das Unternehmen dabei das größte Investitionsvolumen seiner Geschichte. Allein in Deutschland sollen 120 neue Verkaufsstellen eröffnet werden. Das Unternehmen erwartet 2013 im Konzern einen Umsatzanstieg von mindestens 13 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro.
Für die nächste Runde des in den Startlöchern stehenden Verdrängungskampfes zwischen Discountern und Drogeriemärkten stellt sich nun die Frage: Welches werden die bevorzugten Waffen sein, mit denen die Kontrahenten ins Feld ziehen? Eine wurde bereits eingangs erwähnt, nämlich der Preis. Frage bleibt allerdings: reicht dies? Die Antwort kann nur sein: Mitnichten. Und die Gründe hierfür dürften mittlerweile bekannt sein. Bereits 2007 wurde im Rahmen einer Studie der Kölner Agentur ServiceRating, die 1.560 Drogeriemarkt-Kunden befragte, festgestellt: "Die Kundenberatung als eine der wichtigsten Serviceleistungen bleibt für Kundinnen und Kunden von Drogeriemärkten immer noch eine Mangelware. Viele Drogerieketten drängen Kunden eine nüchterne und unterkühlte Preisschlacht auf, die dem Einkaufserlebnis von Körperpflegeprodukten jegliche Atmosphäre raubt. Dabei wünschen sich viele Kundinnen und Kunden attraktivere Warenpräsentationen und hochwertigere Beratungen. In den klassischen Disziplinen", so stellte Dr. Claus Dethloff, Geschäftsführer der ServiceRating GmbH damals fest, "bestehen praktisch alle untersuchten Drogeriemärkte den Servicetest: von dm bis Schlecker." Soll heißen: Deutsche Drogeriemärkte konnten sich vornehmlich in den traditionellen Tugenden des Handels wie zum Beispiel Sauberkeit und Ordentlichkeit, Angebotsvielfalt oder -aktualität beweisen. In diesen Beurteilungsdimensionen ließen sich deutlich über 50 Prozent der befragten Kundinnen und Kunden schon 2007 von ihren Drogerien begeistern. Auch das Angebot an preiswerten Eigenmarken oder die Günstigkeit der Ortslagen erhielten in der Studie von ServiceRating ähnlich positive Bewertungen aus Kundensicht.
dm, Müller oder Rossmann konnten schon 2007 ihre Kunden begeistern
Wie die Befragung von ServiceRating ergab, hatten damals nur wenige Drogeriemärkte den nächsten Schritt in die moderne Servicegesellschaft gewagt. "Vermutlich sind die Apotheken den Drogeriemärkten ganz dankbar, dass sie den Mehrwert einer anspruchsvollen Kundenansprache und -beratung noch nicht erkannt haben", kommentierte Dethloff das Ergebnis. Tatsächlich ist das gefühlte Einkaufserlebnis in großzügigen und angenehmen Räumlichkeiten mit ansprechenden Produktdarbietungen das wichtigste Servicemerkmal für die Kundinnen und Kunden von Drogeriemärkten. "Wer seine Kunden begeistern möchte, sollte die Ladengestaltung in sein Servicekonzept integrieren und Einkaufen auch als Erlebnis für die Kunden verstehen", so damals die Empfehlung Dethloffs an die Drogeriemärkte. Warum sollte der Einkauf von Körperpflegeprodukten nicht angenehm sein oder sogar Spaß machen können? "Nur wenige Ketten, wie beispielsweise dm, Müller oder Rossmann, haben den Kundenwunsch nach einer angenehmeren Einkaufsatmosphäre bereits erkannt und sind erste Schritte in diese Richtung gegangen", resümierte Dethloff. Insbesondere bezüglich der räumlichen Großzügigkeit und der ansprechenden Präsentation der Ware waren die Kunden schon 2007 von dm begeistert.
Was aus dem damals in Sachen "Großzügigkeit und ansprechende Warenpräsentation" schlecht abschneidenden Schlecker-Konzern wurde, ist hinlänglich bekannt. Es sollte somit für die Big Player des Drogeriemarktsegments Pflicht bleiben, erlebnisorientierte Kundenansprache und wertige Warenpräsentation in den Expansionsplänen weiterhin ganz oben auf der eigenen Agenda zu führen. dm-Drogeriemarkt schenkt dabei ausgewählten Bereichen wie der dekorativen Kosmetik und dem Fotoservice bei der Filialgestaltung und Warenpräsentation besondere Aufmerksamkeit.