GLORY INNOVATION 2016: Handel und Banken brauchen erfolgreiche Kooperationen
Auf der von Glory Global Solutions organisierten zweitägigen Fachkonferenz "Banken und Handel 2.0: Der Markt im Wandel" diskutierten Gastreferenten und Teilnehmer am 7. und 8. September in Berlin intensiv und teilweise kontrovers über neue Konzepte für die Optimierung der Bargeldkreisläufe sowie die Verlagerung der Bargeldversorgung und anderer Banking-Services auf Handelsseite.
Zentrales Thema vieler Vorträge und der abschließenden Podiumsdiskussion war die Optimierung der Bargeldkreisläufe durch eine bessere Kooperation von Banken und Handel. Bargeld ist in Deutschland trotz moderner digitaler Bezahlmethoden weiterhin das Zahlungsmittel Nummer eins. Doch den Hauptakteuren des Bargeldkreislaufs, Handel und Banken, entstehen durch die Bargeldnutzung erhebliche Kosten. Sie reichen vom Betrieb des Geldautomatennetzes über die Bargeldlogistik durch ein Werttransportunternehmen bis hin zu Investitionen in Kassensysteme und den Aufwand für das Personal in den Einzelhandelsfilialen.
Bargeldmanagement am Point of Sale senkt Kosten
Angesichts des niedrigen Zinsniveaus erheben viele Banken für die Bargeldversorgung Service-Gebühren, die beim Handel zusätzliche Kosten verursachen. Laut Arno Eitz, Partner bei ARKADIA Management Consultants, belaufen sich die Kosten für Barzahlungen in Deutschland jährlich insgesamt auf mehr als 10 Milliarden Euro. Er sieht hier großes Potenzial für Einsparungen. "Wenn Banken und Handel kooperieren würden, könnten sie allein durch Bargeldauszahlungen am Point of Sale die Kosten um bis zu 600 Millionen Euro jährlich reduzieren", so Arno Eitz in seinem Vortrag. "Zudem würde dem Trend der Filialschließungen auf dem Lande ein Gegenpol gesetzt, wenn der Einzelhandel diese Bankservices anbieten könnte. Wie die Zusammenarbeit genau ausgestaltet werden kann, hängt von den individuellen Rahmenbedingungen ab. Eine Kooperation bietet sich vor allem für Volksbanken und Sparkassen an, die traditionell regional verwurzelt und in der Fläche präsent sind."
Zusammenarbeit steckt noch in den Kinderschuhen
Doch bislang gibt es nur zaghafte Ansätze für eine Kooperation von Banken und Handel. Im Rahmen der Podiumsdiskussion sahen die Branchenexperten den Hauptgrund dafür in der unterschiedlichen Kultur der beiden Branchen. Banken und Handel benötigten daher eine Art "Paartherapie", damit sie vorhandenes Misstrauen überwinden und schwierige Fragen, etwa zur Investition in Geräte und Technologien, klären können. Wer macht den ersten Schritt? Wer investiert wie viel? Wie soll das Geschäftsmodell aussehen? Angesichts des zunehmenden Drucks durch die Digitalisierung und das niedrige Zinsniveau sei aber davon auszugehen, dass Banken und Handel künftig näher zusammenrücken.
Barzahlen.de an der Schnittstelle zwischen Handel und Banken
Einen möglichen Ansatz für Banken, mehr Nähe zum Kunden aufzubauen, bietet das Start-Up Barzahlen.de. Über den Intermediär Barzahlen.de können Kunden ihren Online-Einkauf bei teilnehmenden Einzelhändlern mit Bargeld bezahlen. Sie erhalten einen Zahlschein inklusive Barcode via E-Mail als PDF, als SMS oder als Datei für das Smartphone und bezahlen den offenen Betrag bar an der Kasse. Der Online-Shop wird sofort informiert, dass der Kunde bezahlt hat und kann die Ware verschicken.
Was in der Prozesskette erst einmal wie eine "Rolle rückwärts" aussieht (online shoppen, bar bezahlen), ist für deutsche Händler und Konsumenten durchaus attraktiv: Für den Handel, weil "Barzahlen.de" die Kunden wieder verstärkt an den POS lenkt, was wiederum sehr häufig dazu führt, dass diese dort auch Käufe tätigen. Für den Konsumenten ist es interessant, wenn er sich nicht durch lästige Online-Anmeldungen klicken und schon gar nicht seine persönlichen Daten zur Nutzung bereitstellen will. "Barzahlen" ist als Zahlungsart bereits sehr erfolgreich und zählt derzeit rund 10.000 Handelsfilialen bundesweit zu seinen Partnern, darunter Handelsmarken wie REWE, Penny, real,-, budnikowski, mobilcom debitel und die Shops der Telekom. Auf unsere Frage an den Geschäftsführer des Anbieters Cash Payment Solutions, Achim Bönsch, ob denn beim Eintreten von "skandinavischen Verhältnissen" (wo inzwischen das Bargeld nahezu ganz abgeschafft wurde) das Geschäftsmodell überflüssig würde, bleibt dieser entspannt: "Die Deutschen haben eine sehr hohe Affinität zum Bargeld, viel höher, als es in den skandinavischen Ländern oder in Frankreich der Fall ist. Auch die südeuropäischen Länder bevorzugen immer noch Geld, das man anfassen kann. Daher wird es Bargeld in diesen Ländern mit Sicherheit noch eine Weile geben." Mittlerweile hat sich aber auch das Serviceportfolio der Cash Payment Solutions GmbH erweitert. Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen nutzen die Services von "Barzahlen" für ihr Forderungsmanagement. Und 2015 hat Barzahlen.de eine Lösung für den Banken-Sektor zum Ein- und Auszahlen von Geld auf das eigene Girokonto vorgestellt. Die Deutsche Kreditbank AG (DKB) und N26 nutzen die Lösung bereits und in diesem Jahr sollen weitere Banken hinzukommen.
Das Geschäftsmodell "Supermarktbank" würde sowohl dem Handel als auch den Banken Vorteile bieten. "Banken brauchen beispielweise weniger Geldautomaten mit Bargeld zu befüllen und erhalten neue Kundenkontaktpunkte, während Einzelhändler Kosten sparen und effizienter arbeiten können, wenn der Geldkreislauf lokaler wird. Überschüssiges Bargeld, das bisher von Werttransportunternehmen gegen Gebühren abgeholt und zur Bank gebracht werden muss, lässt sich an der Kasse ganz einfach wieder ausgeben und in Umlauf bringen", resümiert Hagen Höhl, Head of Retail Europe Glory Global Solutions, der die Podiumsdiskussion moderierte.
Dass der Handel sich bewegen muss, konstatierte auch Prof. Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach in seinem Vortrag. Er warf darin einen Blick über den großen Teich und machte anhand der Entwicklung der Big Player WAL-Mart und Amazon deutlich: Amazon, der einst reine Online-Anbieter, geht in den USA bereits mit seinen Book-Shops in den stationären Handel und weiß dank der gesammelten Daten viel genauer als WAL-Mart, wie seine Kunden ticken und was sie wirklich wünschen. Wenn man aber mal einen Blick auf die Investitionen wirft, die WAL-Mart angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Amazon in den Ausbau und die Implementierung von digitaler Technologie tätigt, dann ist das vergleichsweise gering. Sein Credo: auch der deutsche LEH sollte sich nicht in Sicherheit wähnen. Selbst wenn der Online-Handel mit Lebensmitteln in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, Amazon wird wohl schon in naher Zukunft - nach unbestätigten Informationen des Manager Magazins und der Süddeutschen Zeitung vielleicht schon im Herbst dieses Jahres - seine neue Sparte Fresh ausrollen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen würde es dem Handel in Deutschland durchaus gut zu Gesicht stehen, den treuen Kunden, die Käufe am Point of Sale tätigen, nicht nur mit emotionalerer und aufgeräumter Flächeninszenierung, Warenpräsentation und Produktplatzierung zu begeistern, sondern auch zusätzliche Services zu bieten. Für die bargeldaffinen deutschen Kunden bietet die Schnittstelle "Cash Management" durchaus interessante Möglichkeiten - und zufriedene Kunden kommen ja bekanntlich gerne wieder...