3D-Druck - die nächste Revolution für Industrie, Handel und Logistik?

Von Ulrich Eggert, Ulrich Eggert Consulting, Köln

Die Kanzlerin sprach zwar kürzlich noch von "Neuland", aber das Thema Internet und E-Commerce hat sich allmählich in den Köpfen von Industrie und Handel eingenistet. Aber bevor sich nun der stationäre Handel in breiter Form durch Multi-Channel-Angebote diese Vertriebsrevolution sich zu eigen macht, klopft bereits ein neues Phänomen der Digitalisierung immer heftiger an die Türe: der 3D-Druck.

Beim 3D-Drucken, auch Rapid Prototyping oder Fabbing genannt, handelt es sich um ein besonderes Produktionsverfahren, bei dem digital entwickelte 3D-Dateien mithilfe von sogenannten 3D-Druckern in greifbare Objekte umgewandelt werden. Im Prinzip funktionieren 3D-Drucker genauso wie herkömm-liche Tintenstrahldrucker, nur dass hierbei Schicht für Schicht übereinander gedruckt wird und so ein drei-dimensionales Gebilde entstehen kann. Ursprünglich wurde dieses Verfahren für die Industrie entwickelt, um mit seiner Hilfe Prototypen, Modelle oder Muster schnell und kostengünstig entwickeln zu können. Dieses Verfahren ist oftmals der einzige Weg, um Kleinstmengen oder Einzelteile maschinell und wirtschaftlich sinnvoll präzise zu produzieren.

Der Digitalisierung der Information folgt jetzt also die Digitalisierung der Produktion auf dem Fuße - mit erheblichen Konsequenzen für Herstellung, Logistik und auch für den Handel. Soweit so gut. Aber zwischenzeitlich sind ganz andere Überlegungen im Markt festzustellen, nämlich die Idee, mit Hilfe von 3D-Druckern benötigte fertige Produkte direkt bei den Anwendern zu erstellen, anstatt sie in Fabriken zu produzieren und mit Lkws vor die Haustüre der Besteller zu transportieren. Zu Ende gedacht würde das bedeuten, dass Industrie, Handel und Logistik nur noch eingeschränkt zukunftsträchtig sind. Aber gemach, nichts wird allgemein so heiß gegessen, wie es gekocht wird!

Was ist 3D-Drucken?

Laut Wikipedia vom Juli 2013 sind dreidimensionale (3D) Drucker Maschinen, die schrittweise drei-dimensionale Werkstücke aufbauen. Dabei erfolgt der Aufbau mittels Computersteuerung aus einem oder mehreren flüssigen oder auch pulverförmigen Werkstoffen nach vorgegebenen Maßen und Formen. Typische Werkstoffe hierbei sind sowohl Kunststoffe, Kunstharze wie auch Keramiken und Metalle. Diese werden physikalischen und/oder chemischen Härtungs- und Schmelzprozessen unterworfen.

Wichtige Techniken des 3D-Drucks sind gemäß Wikipedia etwa das selektive Laserschmelzen, das Elektronenstrahlschmelzen für Metalle, das selektive Laser-sintern für Polymere, Keramik und Metalle, die Stereolithografie, das Digital Light Processing für flüssige Kunstharze, das Polyjet-Modeling sowie das Fused Deposition Modeling für Kunststoffe und teilweise Kunstharze. Die erreichbare Auflösung - und damit Genauigkeit der Produkte - liegt dabei im Bereich von 0,05 mm und auch noch darunter.Neuartige hochwertige multiple 3D-Drucker sind in der Lage, kombinierte Druckverfahren zu beherrschen und auch Kunststoffe in unterschiedlichen Härtegraden und Farben zu einem Werkstück simultan zu verarbeiten. Gegenüber einzelnen konkurrierenden Herstellungsverfahren weist der 3D-Druck zum Teil grundlegende Vorteile auf. Gegenüber dem Spritzgussverfahren entfallen das aufwändige Herstellen von Formen und der Formenwechsel.

Gegenüber Verfahren, die durch Schneiden, Drehen, Fräsen und/oder Bohren Material von Ausgangswerkstücken wegnehmen, entfällt der Materialverlust. Generell ist der Vorgang in der Regel energetisch günstiger, weil das Material nur ein Mal in der benötigten Größe und in den benötigten Maßen aufgebaut wird wie gewünscht, und dann auch fertig ist. In einigen Fällen ist der 3D-Druck so erheblich schneller als andere Verfahren.

Der Übergang zur individualisierten Kleinserienproduktion

3D-Drucker haben durchaus das Potenzial, in wenigen weiteren Jahren viele Wirtschaftszweige nachhaltig und entscheidend zu verändern. Der 3D-Druck wird nicht nur den Designprozess und den Prototypenbau drastisch verändern, auch die Produk-tionsabläufe werden sich radikal wandeln und damit auch die Produktionsstandorte. Hat das Internet den Handel letztlich für jedermann geöffnet - denn jeder kann und darf im Internet handeln, Verkaufsflächen und größere Investitionen in Immobilien sind nicht erforderlich -, so wird der 3D-Druck auch die Eintritts-barrieren in das produzierende Gewerbe niederreißen.

Interessant hierbei ist die umgedrehte Blickrichtung gegenüber den bisherigen Entwicklungen: Die letzte industrielle Revolution, die durch Fließbandarbeit gekennzeichnet war, hat zur preisgünstigen Massenfabrikation geführt, der 3D-Druck ermöglicht jedoch die Herstellung individuellerer Produkte in Kleinserien und damit in Kleinstfabriken oder sogar beim Konsumenten zu Hause. Drei-dimensionale Ausdrucke von Computerdateien sind billiger als handgefertigte Modelle, es geht in der Regel schneller und man kann auch leichter experimentieren und durch "Drehen" an wenigen "Stellschrauben" neue Varianten eines Ursprungsproduktes herstellen. Die individuelle Abänderung eines Ausgangsproduktes, das sogenannte "Mass-Merchandising", und damit auch die Personalisierung von Produkten wird zu einem Tastendruck am Computer schrumpfen.Allerdings wird nicht alles, was denkbar ist, auf einmal realisiert werden. So ist zu erwarten, dass der 3D-Druck sich zunächst einmal immer stärker in der klassischen Industrie bei der Produktentwicklung und damit aufbauend bei der Prototypentwicklung durchsetzen wird. In einem zweiten Schritt könnten dann einzelne Teile mittels dieser Methode erstellt und in größere Produkte eingebaut werden, bevor schließlich komplette Produkte auf diese Art und Weise produziert werden. Gegenstand solcher Über-legungen ist momentan sehr stark der Flugzeug-, aber auch der Automobilbau, vor allem wegen der möglichen Gewichts- und damit Energieersparnis. Naheliegend ist jedoch auch, dass recht schnell Konsumgüterproduzenten auf diesen Zug springen und auf diese Art und Weise Tassen, Teller, Eierbecher, Vasen, Wohnaccessoires und ähnliche Dinge produzieren. Und dann ist auch der Weg nicht mehr weit, bis der Handel selbst die Drucker aufstellt, nur noch die Produktionsdateien von der Industrie bezieht und damit viele Spediteure und Logistiker überflüssig macht.

Die letzte Stufe in der Entwicklung ist dann erreicht, wenn auch die Endverbraucher sich die Drucker kaufen und ihre gewünschten Produkte selber erstellen. Das ist keineswegs der Zeit um Jahrzehnte vorausgegriffen, denn die ersten 3D-Drucker zu einem Preis von unter 2.000 Euro, ja sogar schon von unter 500 Euro sind auf dem Markt. Gegenüber den professionelleren Maschinen mit Preisen von über 100.000 Euro, haben sie allerdings den Nachteil, dass sie ungenauer arbeiten und nur Werkstücke in geringen Größen und von schlechterer Qualität bei langsamerer Geschwindigkeit erstellen können.Der große Vorteil des 3D-Drucks wird langfristig darin liegen, dass komplexere und gleichzeitig leichtere Komponenten hergestellt werden können als mit herkömmlichen Maschinen. Fräsende und spanende Maschinen formen ein Werkstück von außen, können jedoch keine Hohlräume produzieren. Mit Hilfe des 3D-Drucks ist es jedoch möglich, Endformen zu erstellen, die auch innen hohl sind - und damit wesentlich leichter. Das ist etwa für den Flugzeugbau, aber auch immer mehr für die Kraftfahrzeugherstellung, von entscheidender Zukunftsbedeutung.

Anwendungsgebiete

Momentan liegt der Schwerpunkt des Einsatzes von 3D-Druck vor allen Dingen in den Vorstufen der Serienproduktion bzw. in der Kleinproduktion. Das heißt, es geht vor allem um folgende Aspekte: 

  • Die Erstellung von Konzept-Modellen und Varianten davon: Anhand solcher Modelle, die relativ schnell und kostengünstig zu produzieren sind, können Varianten künftiger Ausprägungen eines Serien-modells detaillierter und einfacher ausprobiert, vorgestellt und diskutiert werden.
  • Funktionale Prototypen: Bei komplexeren Produkten, die aus mehreren Teilen bestehen, können Prototypen entwickelt und deren Funktionalität hinsichtlich verschiedener Varianten weiter geprüft werden. 
  • Präsentationsmittel: Viele Produkte gehen nur dann in Produktion, wenn die Aussicht auf Aufträge eingehend geprüft worden ist. Dazu ist es erforderlich, Präsentationsmittel zu entwickeln, um anhand derer mit Kunden diskutieren und sie auch zu Aufträgen verleiten zu können. 
  • Anschauungsmuster: Ähnlich wie im vorigen Punkt ist es sinnvoll, auf Messen, auf denen der Verkauf von Produkten im Vordergrund steht, anhand von Anschauungsmustern auch vor dem Start der Produktion bereits im Detail mit dem Kunden über Einzelheiten diskutieren zu können.
  • Kleinserien: Viele Produkte werden aufgrund ihres Differenzierungsgrades nach verschiedenen Einsatz-gebieten nur in Kleinserien gefertigt bzw. in so vielen Modellvariationen, dass letztlich trotz einer größeren Produktionsanzahl aufgrund der Modellvielfalt lediglich Kleinserien oder sogar Unikate entstehen. 
  • Ersatzteile: Gerade bei Auslaufmodellen lohnt sich eine größere Ersatzteillagerung nur selten. Diese Teile können per 3D-Druck im Nachhinein produziert werden. Ja, es wird langfristig in fortgesetzter Entwicklung dieses Verfahrens immer mehr möglich sein, insgesamt auf ein Ersatzteilwesen zu verzichten und jeweils vor Ort die benötigten Produkte direkt zu erstellen. 
  • "Spaß an der Freude": Insbesondere dann, wenn dieses Verfahren auch den Endverbrauchern zur Verfügung gestellt wird, wird es künftig auch darum gehen, dem Anwender bei seiner Gerätenutzung ein gewisses Vergnügen zu bereiten. Das Thema "Do-it-yourself", in diesem Fall in einem verfeinerten Sinne, wird zu diesem Spaßfaktor beitragen können.

 

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