Digitale Transformation erfolgreich meistern

Am Beispiel der Parfümerie Akzente, die heute nicht nur 21 stationäre Geschäfte, einen Friseursalon und mehrere Kosmetiksalons betreibt, sondern zu der auch der Online-Shop parfumdreams.de zählt, wird deutlich: Omnichannel-Strategien machen Sinn und zahlen sich aus, wenn man die unterschiedlichen Touchpoints zentral managt, die Daten professionell auswertet und dabei eines nicht vergisst: Was am Ende zählt, ist immer das Einkaufserlebnis...

"Wo der Kunde meine Produkte einkauft, ob in meinen stationären Geschäften, meinem Web-Shop oder auf einem Online-Marktplatz wie Amazon, ist mir egal. Ich muss überall dort sein, wo meine Zielgruppe shoppen geht." Kai Renchen ist ein Mittelständler wie er im Buche steht: 1995 gründeten seine Eltern im baden-württembergischen Pfedelbach die Parfümerie Akzente. Zu ihr zählen heute 21 stationäre Parfümerie-Läden, ein Friseursalon und mehrere Kosmetiksalons. 2004 eröffnete Kai Renchen mit drei Freunden den Online-Shop parfumdreams.de. Rund 400 Marken verkauft er hier mittlerweile. Gesamtumsatz online und offline im vergangenen Jahr: 40 Millionen Euro. Die beiden Verkaufskanäle ergänzen sich. "Die Mitarbeiter in den Filialen berichten von ihren Erfahrungen und täglichen Kundengesprächen und liefern so viel Know-how, das wir für unseren Online-Handel nutzen", erläutert Kai Renchen einen "Querpass" von einem Verkaufskanal zu einem anderen. Doch die Omnichannel-Entwicklung des Familienunternehmens ist noch nicht am Ende. Dafür nutzt man auch moderne Technik. "Schreibt uns ein Kunde eine E-Mail, bekommt er während der Geschäftszeiten innerhalb von maximal zweieinhalb Stunden eine Antwort", nennt Renchen ein Beispiel. Mindestens einmal pro Woche führt parfumdreams.de ein Update des Web-Shops mit neuen Features durch. Dazu gehören die Integration neuer Zahlarten oder neuer Filter, um Produkte schneller zu finden, die Verbesserung des Bestellprozesses oder des Look-and-Feel der Site. Betriebswirtschaftlich sinnvoll ist die Nutzung des Zentrallagers mit 30.000 verschiedenen Artikeln in Pfedelbach: Von hier aus werden die stationären Läden ebenso wie die Online-Kunden beliefert.

Der Verbraucher kauft am liebsten da, wo er gerade ist

Das Beispiel der baden-württembergischen Parfümerie wiederholt sich bundesweit gerade zehntausendfach. Landauf, landab überlegen Unternehmen, wie sie auf den Wandel im Handel, ausgelöst durch die digitale Transformation, also die Veränderung bestehender Geschäftsmodelle durch Technologien, etwa durch soziale Medien, mobile Kommunikation und Business Analytics, reagieren sollen, wie sie ihre Organisation und Struktur verändern, neue Chancen ergreifen können. Eckhart Hilgenstock, Berater, Coach und Interim Manager, versetzt sich in die Lage der Einzelhändler: "Wir wissen nicht, über welchen Kanal der Kunde wann kommt. Er benutzt verschiedene Endgeräte, um im Netz zu shoppen, kommt mal ins Geschäft an der Ecke, um etwas live zu sehen, und geht dann vielleicht auf ein Online-Preisvergleichsportal. Wie schön wäre es, wenn ich als Einzelhändler wüsste, dass es sich um ein und denselben Kunden handelt. Dann könnte ich ihm am jeweiligen Kontaktpunkt die wirklich relevante Information geben. Denn noch wichtiger als früher ist es, welche Erfahrung ein Kunde mit mir macht. Es geht um die Customer Experience."

Der Experte ist sich sicher: Da der Kunde überall und jederzeit einkaufen kann – mit Smartphone und Tablet kann heute jeder Ort ein virtuelles Einkaufszentrum werden – komme der Stärkung der Marke wieder wachsende Bedeutung zu: "Der Verbraucher", so Hilgenstock, "überlegt nicht, ob er nach links oder rechts geht, sondern kauft da, wo er gerade ist."

Kernthema der Digitalisierung ist nicht die Technik

Hubert Ramcke, Experte für disruptive Veränderungen bei der Unternehmensberatung Putz & Partner in Hamburg, stellt klar, dass die Einfachheit des Einkaufens über Desktops, Mobilgeräte oder Social Networks, die der Kunde erwartet, auf der Händlerseite "zu einer Erhöhung der Komplexität" führt. Der E-Commerce-Fachmann war in den 1990er Jahren in der Otto Group mitverantwortlich für digitale Transformation, für den Wandel vom gedruckten Otto-Katalog über den Katalog auf CD-ROM bis zu modernen digitalen Angebotsformen. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat Ramcke einer Elektronik-Markt-Kette geholfen, eine Omnichannel-Strategie umzusetzen, zu der auch ein Web-Shop gehört. "Wir haben das in kleinen definierten Schritten und vielen Tests gemacht", erläutert er. "Das Kernthema bei der Digitalisierung im Handel ist nicht die Technik. Es geht darum den Kunden zu verstehen, ihm auf verschiedenen Kanälen Angebote machen zu können, die ihn begeistern und binden."

Erweiterung der Produktpalette mit Bits und Bytes

Jeder Hersteller und Händler müsse sich fragen, welcher digitale Service sich für ihn tatsächlich lohnt, ob er durch den Einsatz von Bits und Bytes seine Produktpalette erweitern kann. Ziel kann auch sein, über Google oder Soziale Netze mehr Kunden ins eigene Geschäft an der Ecke oder in der Fußgängerzone zu lenken. Hilgenstock empfiehlt dafür digitales Marketing. Man könne Suchbegriffe gezielt aufbauen (SEO – Search Engine Optimization), so dass der Einzelhändler oder seine Produkte im Google-Ranking nach oben rutschen. Auch die Harmonisierung von Werbung könne helfen, den Laden voll zu bekommen: "Wenn zum Beispiel auf der Webseite die gleiche Aktion läuft, die im Fernsehen beworben wird, stößt der User auf seinem Tablet zum zweiten Mal auf die Botschaft." Hilgenstock rät zudem zu einer automatisierten Optimierung des Online-Budgets, "abgestimmt mit der traditionellen Werbung", die dafür sorgt, dass pro ausgegebenem Marketing-Euro die höchstmögliche Zahl an Leads erzeugt wird. "Und wo der Kunde schließlich kauft, ob offline oder online, ist egal."

Wie man in den Kanälen, die man für Marketing und Vertrieb nutzt, "Doppelpass" spielen kann, zeigt Douglas: Kunden können Produkte online bestellen, sie aber – wegen der individuellen Verpackung und weil sie nicht den ganzen Tag zuhause auf den Kurier warten wollen – in einem Geschäft abholen. Ob der Kunde schon bezahlt hat, checkt die Verkäuferin an der Kasse. Zwei Drittel der Kunden zahlen erst bei der Abholung. Das sorgt für Mehrumsatz durch Zusatzverkäufe. Douglas ist bemüht, den Auftritt als Unternehmen und die Präsentation der Ware auf allen Kanälen möglichst einheitlich zu gestalten, um ein kongruentes Einkaufserlebnis zu garantieren. Das hält Eckhart Hilgenstock für den richtigen Weg: "Der Kunde erwartet einen nahtlosen Prozess zwischen offline und online." Eine Priorisierung was der wichtigste Kanal ist, "spielt immer weniger eine Rolle". Douglas hat sich außerdem vorgenommen, seinen Kunden genau zu studieren, um zu erfahren, so E-Commerce-Chef Jens Diekmann, "was seine nächsten Schritte sind". Dafür eigneten sich bestens die 17 Millionen Douglas-Kundenkarten in Europa: "Sie stellen einen Datentopf dar, aus dem wir sehr schön schöpfen können."

Fazit: Noch immer werden die meisten Kaufentscheidungen am POS im stationären Geschäft getroffen. Die Digitalisierung des Handels aber eröffnet neue Möglichkeiten, individueller und mit neuen Services auf Kunden und potenzielle Kunden zuzugehen. Nur wer diese Chancen ignoriert, muss sich Sorgen um sein Geschäft von morgen machen.  Jürgen Hoffmann, Gastautor


"Wo der Kunde meine Produkte einkauft, ob in meinen stationären Geschäften, meinem Web-Shop oder auf einem Online-Marktplatz wie Amazon, ist mir egal. Ich muss überall dort sein, wo meine Zielgruppe shoppen geht."
Kai Renchen, Geschäftsführer parfumdreams.de

www.parfumdreams.de